Macht euch die Technik untertan

Zuerst PC und Internet

Zugegeben, dies ist leichter gesagt als getan. Denn Hand aufs Herz: Wer könnte im Zeitalter ständig neuer PCs, kaum mehr zu überschauender Handy-Angebote und im Dschungel von DVD-Playern wirklich noch von sich behaupten, dieses Metier auch nur ansatzweise zu überblicken, geschweige denn zu verstehen, was uns der Markt an technischer Innovation in unglaublich rascher Abfolge bietet?

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Nun sind diejenigen von uns noch vergleichsweise gut bedacht, die in ihrer Familie, in ihrem Freundeskreis oder in ihrer nächsten Nachbarschaft Bekannte mit Sachverstand haben, die sie im Bedarfsfall befragen können. Seriöse Statistiken hierzu wird es kaum geben, es würde einen aber nur wenig wundern, wenn nicht eine deutliche Mehrheit heutiger PC-Benutzer im Seniorenalter nur auf diese Weise mit ihrer Gerätschaft letztlich irgendwie zurechtkäme, hätte man doch ohne solche Hilfe seinen PC samt Zubehör schon längst aus dem Fenster geworfen. Wollte man diese Art des Überlebens in der neuen Welt mit einem griffigen Schlagwort versehen, so wäre der Terminus Soziusstrategie vielleicht nicht völlig falsch.

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Diejenigen unter uns Senioren allerdings, denen keine Hilfe von außen zur Verfügung steht, tun sich im Allgemeinen von Anfang an wesentlich schwerer. Auch hier liegen verlässliche Statistiken kaum vor, wir können jedoch davon ausgehen, dass solche PC-Benutzer vermutlich in erheblichem Umfang »Lehrgeld« zahlen müssen, wenn sie denn überhaupt die notwendige Energie zum Durchhalten auf Dauer aufbringen. Bezeichnen wir diese Art des Überlebens, wenn auch ein wenig zynisch, so aber doch zutreffend als Sisyphusstrategie.

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Kürzlich hatte nämlich ein guter Freund, nennen wir ihn ganz einfach Gerd, ein Schlüsselerlebnis der besonderen Art. Sein Anliegen war ein zunächst eher bescheidenes: Er wollte für seinen PC eine schnellere Verbindung zum Internet erwerben. Genauer gesagt, er gedachte zunächst einmal zu erfragen, was für diesen Zweck an technischen Lösungen angeboten wird, was die Sache kostet und wie er − laienhaft versteht sich − am besten vorzugehen hätte.

Was er dann erleben durfte, entpuppte sich schließlich als eine kuriose Veranstaltung irgendwo zwischen klassischem Drama und moderner Comedy. Und das kam so:

Er betrat das Verkaufsareal des in unserer Gegend renommiertesten Hightech-Ladens und schlenderte lässig (so seine spätere Erinnerung) an den in vorderster Linie aufgereihten Großbildschirmen entlang in Richtung PC-Regal. Listigerweise hatte man die Großbildschirme samt und sonders unter Strom gesetzt − man musste also zwangsläufig hinschauen − und als sensationelle Messeneuheit ausgewiesen. Doch irgendwie gelang es ihm, der Versuchung des Nähertretens zu widerstehen, und so stand er alsbald wie geplant inmitten des aktuellen PC-Angebots, sozusagen zwischen A wie Adapter und Z wie Zusatzspeicher. Seine Haltung wird wohl noch immer lässig gewesen sein, aber irgendwie beschlich ihn das unbestimmte Gefühl, weniger lässig und stattdessen zunehmend als hilfsbedürftig zu erscheinen.

Dies wurde wohl auch vom irgendwo vorhandenen Fachpersonal bemerkt, denn schließlich bewegte sich ein Mitarbeiter des Geschäfts auf den potenziellen Kunden zu. Gerd, der für einen kurzen Moment noch darüber nachgedacht hatte, ob den Mitarbeiter primär das Mitgefühl mit einem etwas verunsichert wirkenden älteren Herrn oder eher die Hoffnung, einen lukrativen Verkauf tätigen zu können, motiviert hatte, war letztlich einfach froh, sein bescheidenes Anliegen einem echten Fachmann vortragen zu dürfen.

Ob er für seinen PC wohl eine schnellere Verbindung ins Internet bekommen könne, wollte er also wissen, nachdem man zuvor die in solchen Geschäften übliche Grußformel eines kurzen »Hi« ausgetauscht hatte.

Ja, das sei schon irgendwie möglich, hörte Gerd den Fachmann sagen. Dann wollte dieser wissen, über welche PC-Ausstattung unser Freund derzeit verfüge.

Die Wortwahl war in der Erinnerung von Gerd freilich eine andere, eher eine technisch-spezifische. Das hatte zur Folge, dass er die eigentliche Frage nicht exakt verstehen, geschweige denn präzise beantworten konnte. Sinngemäß aber war er sich sicher, dass der Verkäufer wissen wollte, welches PC-Grundmodell er derzeit besitze.

Da nun gewann Gerd sein Selbstbewusstsein sogleich voll zurück, denn er konnte sagen, er sei stolzer Besitzer eines in diesem Laden vor einiger Zeit erworbenen Geräts. So ganz sicher ist Gerd sich dessen nicht, aber er meint sich zu erinnern, auch den damaligen Kaufpreis von mehr als tausend Euro angedeutet zu haben.

Sein Gegenüber war mit dieser Auskunft erkennbar unzufrieden. Wann exakt der PC gekauft worden sei, wollte er wissen. Vermutlich hatte er inzwischen die Schwierigkeit erkannt, von Gerd Näheres über den Typ der Hardware oder den Stand der Software seines PCs zu erfahren.

Gerd sagte ihm, er hätte das Gerät vor gut drei Jahren gekauft. Diese Auskunft zeigte Wirkung. Später war uns beiden klar, man hatte den Herrn Verkäufer irgendwo zwischen Zumutung und Beleidigung getroffen. Auch wurde uns später bewusst, dass man heutzutage einen drei Jahre alten PC nicht mehr erweitert, sondern allenfalls verschämt an jemand Bedürftigen weitergibt, um frei zu sein für neueste Technik. So zumindest die Perspektive des qualifizierten Fachhandels.

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Um allerdings ehrlich zu sein: Das Beharrungsvermögen meines Freundes hatte nach diesem Erlebnis seinen Zenit bereits merklich überschritten. Ich ertappte ihn nämlich alsbald beim Blättern in neuesten PC-Prospekten und parallel dazu bei einer Überschlagsrechnung, um zu eruieren, in welcher Höhe unter der Kostenart »sonstige Investitionen zur sinnvollen Gestaltung des Seniorendaseins, Rubrik moderne Technik« Ausgaben möglich seien.

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Eine Empfehlung kann in diesem Zusammenhang nicht oft genug wiederholt werden: Gehen Sie den Weg nicht allein, sondern lassen Sie sich helfen. Besser noch, suchen Sie Kontakte zu Senioren mit gleich gelagerten Interessen. Das Internet bietet dazu natürlich die besten Möglichkeiten.